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30.09.2022

Häusliches Arbeitszimmer: Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch Finanzamt bei Mitwirkung des Steuerpflichtigen rechtswidrig

Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als so genannter Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer ist rechtswidrig, wenn die Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt, insbesondere zuvor eine Wohnungsskizze vorgelegt hat. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Eine selbstständige Unternehmensberaterin machte in ihrer Einkommensteuererklärung erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des Finanzamts aber für klärungsbedürftig hielt. Er bat den Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung. Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der Steuerpflichtigen, wies sich als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hat der Besichtigung nicht widersprochen.

Der BFH urteilte, dass die Besichtigung rechtswidrig war. Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren sei angesichts des in Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (zum Beispiel Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies gelte auch dann, wenn die Steuerpflichtige – so wie im Streitfall – der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt.

Wie der BFH weiter ausführte, war die Ermittlungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen könne dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (zum Beispiel Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.07.2022, VIII R 8/19